Predigt am 2. Sonntag nach Trinitatis, 21. Juni 2009

Text: 1. Kor 14, 1 – 2 (- 25)

Herr Gott, das was ich verkündigen soll, sind wahrhaftige Worte über Dich selbst. Ich bekenne Dir meine Eitelkeit und auch meine Unfähigkeit und bitte: Sei Du erhaben, gepriesen und verkündigt. Um Deinen Heiligen Geist bitten wir, dass wir Dein Wort reden und hören dürfen. Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

wir haben vorigen Sonntag über Liebe gesprochen, über das Lieben als Erfüllung all dessen, was notwendig ist und über die Notwendigkeit der Liebe, über das Lieben als Garantie der Verbreitung des wahrhaftig Guten. Heute wollen wir diese Gedanken fortsetzen. Wir haben beim letztenmal die vorausgehenden Kapitel gelesen und Paulus beginnt die neue Rede mit dem dringenden Aufruf: Strebt nach der Liebe! Es ist wichtig, dass er ein Wort aus der Jagdsprache benützt – strebt so, wie der Jäger dem Wild nachstellt, sich auf nichts anderes konzentriert, so sollt auch ihr euch darauf konzentrieren, lieben zu kennen, diese Liebe leben zu kennen. Das ist wichtig, wichtiger, als alles andere, wichtiger, als Kenntnisse, wichtiger, als ein Haufen anderer Dingen. Es gibt zu wenig Liebe und ihr seid die, die sie tragen müssen. Strebt ihr nach, stellt ihr nach, schnappt sie! Denn dort, wo sie nicht ist, ist gar nichts mehr, dort ist es nur wüst und leer und die Welt, die menschliche Welt ist oft wüst und leer.

Dann springt Paulus direkt zu den praktischen Ratschlägen, wie diese Liebe zum Ausdruck kommt, oder wie die Liebe zum Ausdruckt gebracht wird, wie sie sich äußert. Er gibt nun Ratschläge zu grundsätzlichen Dingen. Und dabei geht es nicht um billiges Kuscheln, nicht um feuchte Körperwärme, auch nicht um nonverbale Kommunikation, sondern er spricht über menschliche Rede. Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber um die Gabe der prophetischen Rede! Liebe kann man nicht durch menschliche Anstrengung weitergeben, notwendig sind Geistesgaben. Die erste von ihnen ist die prophetische Rede.

Womöglich ist es nicht so überraschend. Die moderne Sprachwissenschaft und die kontextuale Antropologie, an der Spitze mit Noam Chomski – die Rechten unter uns mögen entschuldigen, wir sprechen über Sprachwissenschaft und nich über anderen Meinungen von Chomski – sagen, dass die Sprache allgemein die menschliche Grundkonstante ist und sie begründet unsere Menschlichkeit. Der Mensch wird sogar mit einer grammatikalischen Grundstruktur geboren. Die Sprache und ihre Verständlichkeit – das ist es, worum es geht und was uns zu Menschen macht.

Freunde, das hier ist ein Streitgespräch in einer Welt, wo Wörter ihre Bedeutung verlieren und wo die Sprache verzerrt wird. Aber hier eben sagt der Apostel Paulus, und es scheint, dass der Jude Chomski hier vom Juden Paulus so ein bissel abgeschrieben hat, er sagt: ohne ein verständliches Wort, ist jedes Gefühl umsonst, ohne Worte geht es nicht. Die Menschen, die sich nicht verständigen können, tippen sich schließlich an die Stirn und sagen über die anderen, dass sie verrückt sind, irgendwie merkwürdig, dass sie stumm sind. Beziehungen kann man ohne Wörten nicht aufrecht erhalten. Dort, wo sich Menschen ihre Empfindungen nicht mitteilen können, ihre Liebe nicht bekennen können, dort kommen sie zu den untersten Ebenen der Sprache, zu vulgären Ausdrücken und letztendlich haben sie kein Gespräch mehr und trennen sich. Die Grundforderung lautet: Verständigung. Darum sprechen wir mit Kinder, damit wir ihnen in das grammatikalische Netz, mit dem sie zur Welt gekommen sind, Worte hineinlegen, Begriffe, unter denen man sich nicht nur Sachen, sondern auch Gefühle vorstellen kann. Wir können sogar Sätze sagen, die noch nie jemand gesagt hat, und trotzdem verstehen uns die anderen. Die Sprache, liebe Freunde, das ist eines der wertvollsten Dinge.

Die Sprache, das Wort, und jetzt bitte ich um große Aufmerksamkeit, die Rede, sind so verlässlich, dass nach dem Zeugniss der Heiligen Schrift Gott selbst diesen Kommunikationskanal mit uns Menschen wählt, dass sein Sohn selbst das Wort genannt wird und wir über ihn mit Worten sprechen können und durch Worte Zeugnis von ihm geben können. Gott hat geredet, er redet und wird reden. Das ist es, worum es hier geht und seine Rede ist kein leeres Geschwätz, sondern es ist ein Wort, das immer neue Sachen schafft, neue Sachen ermöglicht, Unerwartetes öffnet. Also ist das Wort wichtig, über alles wichtig.

Das, worum von allen Geistesgaben zuerst gebeten wird, ist die Gabe der prophetischen Rede. Prophezeihung bedeutet im Neuen Testament eine Rede, die nicht nur eine Voraussage ist, aber die vergangene, gegenwärtige und auch kommende Dinge aufdeckt – sie ist vor allem Wahrheit, die die Kirche bauen soll – also das, was dem Herrn Jesus Christus gehört, also das, was ein Vorschuss der erlösten Welt ist, des Reiches Gottes. Prophetische Rede, auch in unserem Text, erbaut, ermahnt, richtet auf, richtet und überführt. Es ist ein Wort, das die Wahrzeichen von Gottes Wort trägt. Um dieses Wort sollen wir bitten, um diese Wort geht es. Dieses Wort soll zwischen uns erklingen und lediglich dieses Wort bringt uns letztendlich etwas. Und dises Wort soll nicht nur in der Kirche erklingen, sondern ist irgendwie mächtig, die Menschen um uns anzusprechen – die ungläubigen und einfachen Leuten. Es ist so gänzlich klar und verständlich, dass auch ein Idiot – dieses Wort gebraucht Paulus im Griechischen – es verstehen kann, und dieses Wort macht ihn weise und den Gottlosen gläubig. Darum geht es, für diese Gabe interessieren wir uns und um sie bitten wir.

In Korinth damals, gab es das Problem, dass die Leute eine andere Rede, das Zungenreden, für die wichtigste Sache hielten. Es war damals, und ist vielleicht in charismatischen Kirchen bis heute, ein religiöses Phänomen der Zeit. Ein Mensch, der in Zungen redete, sprach keine verständliche Sprache, sondern war in einen Zustand verfallen, in dem sich die Schleusen seines Unterbewusstseins geöffnet haben, die Paulus hier Geist nennt, und einen so sprechenden Menschen hat niemand verstanden, und sogar er selbst wusste nicht, was er spricht, obwohl es ihm Vergnügen und Beruhigung brachte. Paulus verachtet das nicht, verurteilt es nicht und seine Ablehnung ist kein Selbstzweck. Er sagt nur, dass im Hinblick auf die anderen Menschen, die Nächsten, auf die Kommunikation mit ihnen, zum Ausdruck der Liebe solches Sprechen, das Zungenreden, nichts wert ist.

Man muss allerdings sagen, Schwestern und Brüder, dass das Zungenreden in unserer Kirche und, vermutlich auch bei den Lutheranern in Sachsen, kein Problem ist. Es scheint also, dass die Hauptzielrichtung des Textes uns nicht betrifft. Aber das ist auch nur die halbe Wahrheit. Obwohl wir kein Zungenreden betreiben, sind wir oft unverständlich. Das betrifft vor allem uns Pfarrer – wir sind so unverständlich. Unsere Rede geht an der Realität vorbei. Prophetisch zu reden gelingt nicht, das trifft die Realität immer. Gelehrte Reden umsonst.

Diese Unverständlichkeit habe ich mir nicht ausgedacht. Die Mitglider der Kirche werfen sie uns vor, sogar die, die in der Kirche arbeiten – die Predigten jenseits der Realität machen nur Ärger. – (Diese Unverständlichkeit hab ich mich nicht ausgedachten. Die uns die Mitglider der Kirche vorwerfen, sogar die, die in der Kirche arbeiten – Pfarrrede ausser Realität, vielleicht so geltend, wie ein Wind in dem Darm, nur verstänkert.)

Aber denket nicht, dass es hier nur um die Pfarrer geht, die Sprache und Reden zum Beruf haben. Paulus spricht hier nicht nur über Pfarrer und Prediger. Er spricht über Christen allgemein. Unser Problem ist vielleicht nicht das Zungenreden – das ist noch immer eine Geistesgabe. Unsrer Problem ist vielmehr das Stillschweigen, oder eher die Suche nach Empfindungen, Erlebnissen, die aber nichts mit der Rede, der prophetischen Rede, mit ihrer Bedeutsamkeit, über die wir gesprochen haben, zu tun hat. Die schweigende Kirche ist eine unprophetische Kirche und damit schlechter als eine Kirche, die das Zungenreden betreibt.

Ich sollte wohl noch darauf hinweisen, Schwestern und Brüder, dass es um die Liebe geht, um das Lieben, um das Weitergeben, die Verbreitung dieser Liebe. Ohne sie ist Ende, Untergang, Leerheit, Chaos. Und vielleich sollte ich darauf hinweisen, dass wenn wir nicht lieben, dann bekommen wir nicht diese Gabe der prophetischen Rede und dann wird es still und leer. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was es bedeutet würde, wenn diese Gemeinschaft eine Gemeinschaft von Prophäten wäre. Was würde das für die Qualität und dann auch für die Quantität unserer Gemeinde bedeuten.

Was also ist zu tun? Bitten wir um die Liebe und um die Gaben des Geistes, am meisten aber um die Gabe der prophetischen Rede! Für den Bau der Kirche, für die Gemeinschaft derer, die dem Herrn gehören, für die Errettung der Welt, für Gottes Liebe.

Amen.